Seit vielen Jahren berichten Betroffene, Angehörige und professionelle Fachpersonen von spezifischen Phänomenen, die im Kontext organisierter und ritueller Gewalt auftreten.

Manche Betroffene berichten, dass sie als Kind und Jugendliche einer systematischen Abrichtung ausgesetzt waren. Ziel der Täterkreise sei dabei, eine intrapsychische Parallelwelt im Kind zu erschaffen, die durch die Täter*innen jederzeit abrufbar und steuerbar ist und für die das Kind im Alltag amnestisch ist. 

Demnach nutzen Täter*innen die Dissoziationsfähigkeit von Kindern, um mittels massiver wiederholter Gewaltanwendung und Manipulation gezielt Persönlichkeitsanteile  abzuspalten bzw. eine Dissoziative Identitätsstruktur zu erzeugen. Die entstandenen Persönlichkeiten/Persönlichkeitsanteile werden einem regelmäßigen „Training“ für bestimmte Aufgaben (z.B. für die sexuelle Ausbeutung und Herstellung von Missbrauchsabbildungen/Videos) ausgesetzt. Es wird berichtet von verschiedenen Methoden wie z.B.: drastische Bestrafungen, Überschreitung aller Ekel- und Schamgrenzen, Zwang zur Anwendung von Gewalt gegen andere, Ausnutzen des Bindungsbedürfnisses der Kinder, Erzeugen eines polarisierten Weltbildes, Erzwingen kompletter Unterwerfung, Verankern von Schweigegeboten. Dies kann beinhalten, eine Festlegung und Automatisierung von spezifischen Verhaltensweisen zu erzwingen (Konditionierung). Darauf aufbauend kommt Programmierung hinzu, d. h. das Erzeugen von Ketten aneinandergesetzter konditionierter Verhaltensweisen, die jeweils an verschiedene innere Persönlichkeiten/Persönlichkeitsanteile gebunden sind und von Tätern durch konditionierte Auslöser in Gang gesetzt und gestoppt werden können. Diese erzwungenen konditionierten Verhaltensweisen können z.B. sein: Kontakt zu den Täter*innen aufzunehmen, keine Hilfe von außen annehmen zu können, nicht mehr schlafen können, nicht mehr essen oder trinken können oder sich selbst (bzw. den Körper) zu verletzten.

Kinder, die dies überleben und entsprechend „funktionieren“, bringen dem Täterkreis den größten Nutzen – sie haben Stärke und sind dennoch kontrollierbar (auch im späteren Erwachsenenleben). 

Bisher lassen sich diese Phänomene nicht beweisen und entsprechende wissenschaftliche Forschung ist aus ethischen Gründen kaum möglich. Ebenso wenig lässt sich beweisen, dass es diese Phänomene nicht gibt.

In der Praxis ist es für die Unterstützung von Betroffenen unerlässlich, ihre Erfahrungen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen ernst zu nehmen, zu verstehen, und gemeinsam nach hilfreichen Wegen der Unterstützung zu suchen. Ein Ausbau der bisher viel zu wenigen Unterstützungsangebote ist dringend erforderlich, ebenso (weitere) Forschung dazu, was schwer traumatisierten Menschen hilft, die von einem Hintergrund organisierter ritueller Gewalt und Mind Control berichten. 

Weitere Informationen:

VIELFALT e.V. (2020): Organisierte und Rituelle Gewalt. Unterstützung für Betroffene. Eine Einführung für psychosoziale Fachkräfte. Broschüre, erhältlich über VIELFALT e.V.

Netzwerk ALTERNATIEF (2015): Organisierte Rituelle Gewalt und Mind Control - Standortbestimmung 2015. Tagungsdokumentation. Restexemplare erhältlich über VIELFALT e.V.

Baphomet (2010): Konditionierung und Programmierung. In: Fliß, C., Igney, C. (2010): Handbuch Rituelle Gewalt (S. 153-167), Lengerich: Pabst Science Publishers. 

Breitenbach, G. (2012): Wie lässt sich das Wissen um die systematische Bewusstseins-Spaltung in Ritueller Gewalt und Mind-Control planvoll therapeutisch nutzen? Zeitschrift für Psychotraumatologie, Psychotherapiewissenschaft, Psychologische Medizin, Jg. 10, Heft 4/2012.

Fliß, C. (2012): Konditionierung und Programmierung von Nachfolgegeneration in Kulten. Trauma & Gewalt, Jg. 6, Heft 4 2012, S. 330-341.

Fröhling, U. (2008): Vater unser in der Hölle. Bergisch-Gladbach: Bastei-Lübbe. (Erfahrungsbericht)

Lindstrom, H. & Sniehotta, J. (2016): Abwegig. Überleben und Therapie bei ritueller Gewalt. Kröning: Asanger. (Erfahrungsbericht)

Miller, A. (2014): Jenseits des Vorstellbaren. Therapie bei Ritueller Gewalt und Mind Control. Asanger: Kröning.

Miller, Alison (2016): Werde, wer Du wirklich bist. Mind Control und Rituelle Gewalt überwinden. Kröning: Asanger.

Ross, C. A. (2000): Bluebird. Deliberate Creation of Multiple Personality by Psychiatrists. Richardson TX: Manitou Publications. 

Schramm, S. (2011): Systematische Kinder-Abrichtung in Deutschland. Sozialpsychiatrische Informationen, Jg. 41, Heft 2/2011, S. 38-42

Stichting Alternatief Beraad (2011): Rapportage van een onderzoek. (Vollständige Fassung auf niederländisch) www.alternatiefberaad.nl, deutsche Übersetzung des Schlusskapitels 
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Stichting Alternatief Beraad (2004): Konzeptprotokoll für das Deprogrammieren bei “rituellem sadistischem Missbrauch”. Download PDF